Der Weg der Achtsamkeit

Der Weg der Achtsamkeit

von Charlotte Schmitz

Angesichts der Corona Krise ist medizinische Fachpersonal, wie Ärzte, Physiotherapeuten und Pfleger einer hohen physischen und psychischen Belastung ausgesetzt. Ein Weg, dem Stress entgegenzuwirken, ist Achtsamkeit.

Schon bei Beginn der COVID 19-Pandemie führten Mariele Sibum-Berentelg und das Yogalehrer- Team des Harener Gesundheitszentrums kleine Achtsamkeitsimpulse und Meditationen durch, die sie digital Interessierten, Patienten und Kollegen zur Verfügung stellten. „Wir machen einen Sinnesspaziergang, gehen in die Natur und nehmen sie ganz bewusst mit allen Sinnen wahr“. „Ich brauche einen Ausgleich zum anstrengenden Alltag in der Praxis“, hat Mariele Sibum-Berentelg bemerkt. Die Suche nach einem Ausgleich war auch der Grund, dass sich die ausgebildete Physiotherapeutin, Osteopathin und Heilpraktikerin in die Yoga- und Achtsamkeitspraxis vertiefte.

Im Alter von 50 Jahren studierte sie „Komplementäre Medizin und Kulturwissenschaft“, indem sie ihre Masterarbeit über MBSR_ Mindfulness based stress reduction schrieb. Anschließend studierte in den USA sie u. a. bei Jon Kabat- Zinn und schloss als zertifizierte MBSR Lehrerin ab. Eine weitere Vertiefung für den therapeutischen erfolgte durch MSC-_achtsamen Selbstmitgefühl- durch Chris Germer und Kristin Neff ebenso in den USA. Diese sind seither die Richtschnur ihres privaten und beruflichen Handelns. Sibum-Berentelg sieht darin ein Gegenmittel zu Ängsten, Schmerzen und Depressionen. „Wir nehmen den präsenten Moment mit Anfängergeist war, möglichst ohne Bewertung und gerne mit liebevollem Mitgefühl für uns selbst und andere. Mit Achtsamkeit und Mitgefühl dem eigenen Körper, Geist und Atem begegnen. Dabei entdecken wir eigene Ressourcen und können Resilienz aufbauen. Das ist das Ziel.“

In ihrer Praxis mit 37 Mitarbeitenden hat sie es zur Regel gemacht, dass nach jeder Behandlung eines Patienten eine kurze Pause einzulegen, bewusst die Hände zu waschen. „Ein kleiner Freiraum, um durchzuatmen und sich selbst wahrzunehmen“, beschreibt sie das Ritual.

Sibum-Berentelg hat für sich selbst Freiräume in den Arbeitsalltag integriert. Weiteren Freiraum schafft sie sich durch definierte Arbeitszeiten am Computer. Während der Arbeitszeit lässt sich nicht von eingehenden E-Mails ablenken. „Mein Handy kann ich ausschalten, denn ich will entscheiden, wie ich dieses Medium nutze“, betont sie.

Eine bedeutende Quelle von Stress sei das Multitasking im Handeln oder auch das Grübeln im Denken „Wenn ich im Kopf gerade zehn Schubladen gleichzeitig geöffnet habe, gerate ich in Stress“, erklärt die Therapeutin. Es sei wichtig, mental umzuschalten, und sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Der Geist kann sich beruhigen und die Gedanken werden strukturierter. „Meinen Atem habe ich immer dabei und dieser Prozess selbst ist trainierbar“, sagt die Praxisinhaberin. Sie gibt auch ihren Patienten alltagsrelevante Hausaufgaben mit: achtsame Körperübungen oder Mediationen, die sich auch ohne Yogamatte oder Sitzkissen durchführen lassen, etwa morgens im Bett direkt nach dem Aufwachen.

Angesichts des Anstiegs der Selbstoptimierung rät Sibum-Berentelg dazu, sich in Selbstmitgefühl zu üben: „Ich muss nicht perfekt sein.“ Wenn der eigene Arbeitsalltag jemanden zu überwältigen drohe, sei es sinnvoll, sich Ressourcen von außen zu holen, und den Prozess des Bewusst-Seins langsam zu trainieren. Auch `Think outside the box`, ein Wechsel der Perspektive kann helfen „Wie wäre es, wenn ich selbst der Patient wäre? Was würde ich an dieser Stelle brauchen, um heil zu werden?“

An dieser Stelle mitzuleiden ist auf jeden Fall gefährlich. Es verursacht eigenes Leid und kann langfristig zu Fürsorge- Müdigkeit führen“ warnt Sibum-Berentelg. „Empathie ist der erste Schritt. Achtsames Mitgefühl ist die Essenz.“ Das Care- System des Therapeuten wird aktiviert, und anstatt sich das Leiden des Patienten selbst aufzuerlegen, kann er professionell handeln und dabei selbst gesund bleiben. „Mit-leiden kann über kurz oder lang in den Fürsorge-Burn-out führen.“

Ihr Ehemann Michael Faßbender, der auch in der Geschäftsführung des Harener Gesundheitszentrums aktiv ist, hat das Konzept „Patientenkybernetik“ entwickelt. Unter diesem Motto bietet der ausgebildete Sportwissenschaftler und Consultant, Beratung und Fortbildung für Therapiepraxen an. „Hier wäre die Möglichkeit, dass Achtsamkeit in den therapeutischen Praxen einen größeren Stellenwert bekommt“, wünscht sich Sibum-Berentelg. Aktuell bietet sie mit ärztlichen, psychologischen oder pädagogischen Kollegen Online-Kurse zum Thema Stressmanagement und achtsamen Selbstmitgefühl an.

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